Wolfgang-Ritter-Preis verliehen

Die Schattenseiten der sozialen Marktwirtschaft

In der sozialen Marktwirtschaft läuft nicht alles rund. Mit ihren Schattenseiten befassen sich zwei aktuelle wissenschaftliche Arbeiten kritisch – und erhalten dafür den Wolfgang-Ritter-Preis 2022. Dr. Sven Simon vom Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München und Dr. Boas Bamberger von der Frankfurt School of Finance & Management werden mit 12.000 bzw. 8.000 Euro für ihre innovativen Arbeiten ausgezeichnet. Simon hat unehrliches Verhalten in der Wirtschaft erforscht. Bamberger untersucht die Folgen hoher Gehaltsspreizung in börsennotierten Unternehmen.     

Lesen Sie dazu auch den Beitrag im Weser-Kurier von Sophie Allenstein.

(v.l.) Stiftungsgeschäftsführer Gerold Willms, die beiden Preisträger und Stiftungsvorstand Prof. Dr. Christoph Löffler im Kaminsaal des Bremer Rathauses

Die Wolfgang-Ritter-Stiftung verlieh den nach ihrem Stifter benannten Preis – es ist ein hochdotierter Preis für wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre in Deutschland – am 11. Mai 2022 zum 37. Mal. Die Preisverleihung fand nach einer zweijährigen Corona-Pause wieder mit Gästen im Bremer Rathaus statt. Von 1985 bis heute hat die Stiftung fast 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt.

Innovative und originelle Arbeiten

Bremens Wissenschaftsstaatsrat Tim Cordßen-Ryglewski würdigte die Preisträger, die zumeist nicht aus Bremen kommen, in seinem Grußwort als wertvolle MultiplikatorInnen für den Wissenschaftsstandort Bremen. Als Botschafterinnen und Botschafter für diesen Standort spielen die Träger des Wolfgang-Ritter-Preises eine ganz besondere Rolle und erhöhen die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Bremens, sagt er.  

Beide Preisträger haben innovative Arbeiten zu Fragen von großer Relevanz für unternehmerisches Handeln vorgelegt, ist Stiftungsvorstand Prof. Dr. Christoph Löffler überzeugt. Sie werden damit einem zentralen Anliegen des Stifters in herausragender Weise gerecht. Professor Dr. Jochen Zimmermann von der Universität Bremen hob in seiner Laudatio hervor, Simon und Bamberger hätten sich in origineller Weise mit Fragen der Unehrlichkeit und Unaufrichtigkeit im Wirtschaftsverkehr auseinandergesetzt: Dr. Simon setzt am Individuum an und fragt, was den/die Einzelne/n bei seinen Entscheidungen umtreibt. Dr. Bamberger nimmt das Unternehmen in den Blick und zeigt, wie ein gesellschaftlich unerwünschtes Phänomen wie (große) Lohnungleichheit durch scheinbar großzügiges unternehmerisches Handeln verhüllt werden kann.

Was wurde 20222 prämiert?

Dr. Sven Simon ist wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München und ein Vertreter der Experimentalökonomie. Seine Doktorarbeit Essays on the Trade-Offs for Non-Compliance and Deceptive Behavior untersucht unehrliches Verhalten im Wirtschaftsverkehr mit Experimenten zu Berichten und Auskünften. Er zeigt, dass man unehrliches Handeln identifizieren und beschränken kann. Nicht nur Gelegenheit macht Diebe, sondern Diebe suchen auch Gelegenheiten.

Simons Experimente deuten auf zwei Typen von Menschen: die unkorrumpierbaren Grundehrlichen und diejenigen, denen das Schwindeln leichtfällt. Die Forschungsarbeit gibt Hinweise, an welchen Stellen man Zuverlässigkeitsprüfungen besonders gründlich einsetzen kann. Sie zeigt auch Sanktionsmechanismen, um eine Regeltreue zu verbessern. Mit höherer Regeltreue funktioniert die Marktwirtschaft besser. Dr. Simon leistet damit einen wichtigen Beitrag, wirtschaftliches Handeln effizienter zu gestalten, so Laudator Prof. Zimmermann.

Dr. Boas Bamberger ist Postdoktorand am Management Department der Frankfurt School of Finance & Management und arbeitet als Strategischer Assistent des Vorsitzenden der Geschäftsleitung bei Phoenix Pharmahandel. Der Titel seiner preisgekrönten Arbeit lautet Lohnungleichheit und Kundenzufriedenheit - Eine empirische Untersuchung der Auswirkungen von Lohnungleichheit auf Kundenbeziehungen und Geschäftserfolg.

Hohe Gehaltsunterschiede, legt er dar, schaffen ein ungünstiges Unternehmensklima: Mitarbeiter sind unehrlicher gegenüber Kunden. Auch leidet die Zusammenarbeit und damit der Blick für Kundinnenbedürfnisse. Das führt zu unzufriedenen Kunden und reduziert langfristig den Geschäftserfolg. Diese Folgen müssten Konzerne motivieren, die Gehaltsspreizung zu senken, aber sie steigt. Seine Analyse, so Bamberger, zeigt: Konzerne können das ungünstige Unternehmensklima mit Spenden für soziale Zwecke ausgleichen. Für die politische Debatte bedeutet dies, dass Gehaltsspreizung nicht der alleinigen Selbstregulierung durch Konzerne überlassen werden sollte. Für Laudator Zimmermann drängt sich die Frage auf: Dürfen Manager mit dem Geld ihrer Aktionäre Gutes tun, um ihre ursächlichen Probleme vergessen zu machen? Diese Debatte ist noch zu führen und wird die Freude an unternehmerischer Wohltätigkeit noch trüben.

 
Impressionen von der Preisverleihung

Über die Wolfgang-Ritter Stiftung

+ Die Wolfgang-Ritter-Stiftung fördert die Wissenschaft und ihre Einrichtungen sowie den akademischen Nachwuchs. Sie wurde 1970 gegründet und hat seitdem weit mehr als 10 Millionen Euro an die verschiedensten Projekte, Preisträger und Wissenschaftler ausgeschüttet. Zu den wichtigsten Partnerinnen gehören die Universität Bremen, die Hochschule Bremen und die Jacobs University Bremen. Förderinstrumente sind der 1985 gestiftete Wolfgang-Ritter-Preis und der Wolfgang-Ritter-Studienpreis für Jungwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Seit 1988 lädt die Stiftung gemeinsam mit der Universität Bremen und den unifreunden jährlich zu den Bremer Universitäts-Gesprächen ein – ein Forum für den interdisziplinären Austausch zu aktuellen und zukunftsweisenden Fragen.

+ Stifter ist der Unternehmer, Markenpionier und Mäzen Wolfgang Ritter (1905-1993). Er war Vorsitzender des Vorstandes und Alleininhaber der Brinkmann AG, mit annähernd 6.000 Beschäftigten und einem Milliardenumsatz eines der größten und erfolgreichsten Bremer Unternehmen. Aus der Fertigung von Brinkmann stammten unter anderem die berühmten Zigarettenmarken Peer Export und Lord Extra. Ritter verkaufte später das Unternehmen und gründete 1970 seine Stiftung. Er war einer der ersten Unternehmer, der die junge Bremer Universität unterstützte.

Fotos: Christina Kuhaupt

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